28. August 2015

Christoph Peter Seidels „Laboranordnung“ im Kunst-Quartier

Experimente aus dem Atelier

Osnabrück. Christoph Peter Seidels Atelier ist wie ein künstlerisches Labor. Die faszinierenden Entdeckungen seiner Experimente zeigt er im Kunst-Quartier.

Mit Farben verbinden die meisten Menschen vermutlich Zweidimensionalität, das Mittel also, das auf Leinwänden Landschaften, Porträts oder abstrakte Kunst entstehen lässt. Christoph Peter Seidel dagegen macht aus Farbe dreidimensionale Objekte. Da sind im Kunst-Quartier des Bundes Bildender Künstler (BBK) etwa mehrere Zentimeter dicke Raster an den Wänden angebracht. Und von der Decke hängt ein „Kuchen“, wie Seidel ihn nennt, ein aus intuitiv geschichteten Farben bestehendes Objekt..

Drei Monate und mehrere Versuche hat der Künstler gebraucht, um letzteres Objekt zu kreieren. Schon allein das zeigt, dass seine Kunst kein endgültiges Ergebnis ist, sondern ein Prozess des Suchens und Findens. „Laboranordnung“ heißen die künstlerischen Experimente der Ausstellung deshalb konsequenterweise.

Das heißt aber nicht, dass wahllos zusammengestellte Bilder und Objekte zu sehen wären. Vielmehr wiederholen sich Strukturen wie Spiralen und Raster auf den Bildern und Objekten. Eins ist aus dem andern entstanden in diesem Suchprozess, der immer neue Entdeckungen an künstlerischen Möglichkeiten hervorgebracht hat.

Angefangen hat alles mit den Flecken. Bis dahin hatte Christoph Peter Seiler vor allem großformatige Installationen gemacht, Bilder, die er am Boden oder an der Decke anbrachte. Doch es fehlten ihm Räume für diese Arbeiten. Also begann er mit kleineren Arbeiten. Er experimentiert mit gemalten Flecken, aus denen zunächst kreisförmige und schließlich ovale Spiralen wurden.

Ovale ließen Richtungen entstehen, erklärt Christoph Peter Seidel, was ihn an dieser Form interessiert. Denn ihre Spitze lässt sich nach oben oder unten drehen. Das erste Ergebnis sind zwei großformatige Bilder, die 2012 entstanden sind. Es folgten Papierarbeiten, und schließlich entstanden statt Ovalen Raster.

Der Künstler war „selbst überrascht“, was er da plötzlich erschuf, waren es doch ganz andere Arbeiten als die, die er davor gemacht hatte. Mit etwas Abstand entdeckt er aber Gemeinsamkeiten zwischen Alt und Neu. Raster und Ovale gebe es auch in seinen älteren Arbeiten, erklärt er.

„Was mich interessiert, sind Licht, Raum und Zeit“, sagt Christoph Peter Seidel. Das alles spielt auch beim Betrachten eine Rolle. Die Illusion der Objekte verändert sich mit dem Standort des Betrachters.

Wie ein Objekt am Ende aussieht, wird auch vom Material bestimmt. So arbeitete Christoph Peter Seidel mit Doppelstegplatten, auf denen er Raster aus Farbe anbrachte. Eine solche Installation hängt im Kunst-Quartier von der Decke – nach unten gewendet. Die Farbe sei immer automatisch nach unten gekippt, berichtet Seidel. Also hängte er die Installation schließlich so auf, wie es das Material wollte.

Für Seidel selbst sind seine Arbeiten ein Schritt von der informellen zur konkreten Kunst. Die Arbeiten seien „ganz konkret das, was sie sind, und wollen nichts anderes behaupten“. Und auch wenn sie keine Wirklichkeit abbilden, drückten sie Wirklichkeit auf einer anderen Ebene aus. Das zeigt sich etwa darin, dass der Künstler sich innerlich strukturierte, während er an den Rastern arbeitete. Das ist die Verarbeitung einer komplex gewordenen Wirklichkeit.


Ein Artikel von Anne Reinert

Link: http://www.noz.de/deutschland-welt/kultur/artikel/610628/experimente-aus-dem-atelier#gallery&0&0&610628