19. Juni 2016

Christoph Seidels neue Bilder in Schieder-Schwalenberg

Schieder-Schwalenberg. Der Bad Iburger Künstler Christoph Seidel zeigt neue Werke in Schieder-Schwalenberg. Der Maler zeigt, was mit Farbe möglich ist – von Bild bis Bodenobjekt.

Er lässt die Farbe vom Schaschlikspieß auf stramm gespannte Gardinenstoffe tropfen. Christoph Seidel macht aus banal erscheinender Prozedur aber große Kunst.

Seine leuchtkräftig aufflammenden Farblandschaften weiten Kunst zu einem Totalereignis – als Gemälde an der Wand, raumfüllendes Bildobjekt auf dem Boden oder als Farbobjekt im Raum. Seidel hat gerade den Kunstpreis 2016 des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e.V. erhalten. Jetzt zeigt er Werke aus den letzten 15 Jahren im Robert-Koepke-Haus im ostwestfälischen Schieder-Schwalenberg unweit von Detmold, einem Ort, der bis in das 20. Jahrhundert hinein als Malerkolonie bekannt war. Hier weiterlesen: Christoph Seidel erhält den Kunstpreis des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land.

Avantgarde befreite die Farbe
Die Avantgardisten der klassisch genannten Moderne von Henri Matisse bis Paul Klee haben die Farbe befreit, mit ihrer Leuchtkraft eigenen Ausdruckswert freigelegt. Seidel erzählt die Geschichte dieser wirkungsstarken Emanzipation weiter, indem er die Farbe radikal zum Protagonisten seiner Kunst erhebt. Vor Jahren bedeckte er seine Bildträger von Leinwand bis Metall und Plexiglas mit furiosem Action Painting. Ein wandfüllendes Triptychon, das in Schieder-Schwalenberg zu sehen ist, wirkt heute jedoch trotz seiner mächtigen Präsenz wie das Zitat einer abgelegten Werkphase. Denn der an der Kunstakademie Münster ausgebildete Seidel hat das Experiment mit der Farbe entschieden weiter getrieben. Hier weiterlesen: Christoph Seidels Bilder im Osnabrücker Kunstquartier.

Bodenobjekt aus lauter Bildern
Kunst hat seit der Moderne massiv an Sichtbarkeit und kulturellem Einfluss gewonnen. Zugleich entfaltete sie ihre Energien aus radikalem Selbstbezug. Das hält auch Christoph Seidel so. Expansion durch Konzentration: Der Maler führt das mit einem Bodenobjekt aus Keilrahmen vor, dessen Umriss die Kontur des eigenen Atelierraumes wiedergibt. Die Bildelemente liegen wie kantig geborstene Eisschollen im Ausstellungsraum. Seidel hat sie mit einer Malerei bedeckt, die sich in warmen Lichtströmen scheinbar wie von selbst in alle Richtungen ergießt. Malerei bildet ihre eigenen Landschaften aus. Und der Künstler steht ihr dabei nur wie ein Helfer zur Seite. Hier weiterlesen: Kunst von Osnabrücker Studierenden auf der Iburg .

Malerei ist die eigentliche Wirklichkeit
Meine Wirklichkeit ist die Malerei: Seidel folgt diesem Credo konsequent, indem er die Verwendung der Farbe in einer Reihe künstlerischer Versuchsanordnungen zu überraschenden Möglichkeiten vorantreibt. In komplexen Materialkombinationen macht er aus flüssiger Farbe ein festes, zur Plastizität fähiges Material. Malt hier Miraculix? Ein bisschen schon, wenn der Künstler Acrylfarbe mit Acrylgel, Glasfieber und GFK-Kunststoff vermischt, und aus diesem neuen Stoff sich überschneidende Ovale auf Bildträger bringt oder gleich Raster formt, die nun als Plastiken auf Podesten ausgestellt werden. Am Ende braucht die Farbe kein Bild mehr, um erscheinen zu können. Hier weiterlesen: Landschaftsverband zeigt Kunst von Christoph Seidel.

„Meine Teststrecke“
Christoph Seidel inszeniert die lange Reise der Farbe zu sich selbst als spannende Reise, die noch lange nicht an ihr Ende gekommen ist. Der Künstler spricht lakonisch von seiner „Teststrecke“. In Wirklichkeit treibt er seine Kunst als Prozess voran, der seine Maßstäbe nur aus den eigenen Mitteln und Methoden heraus definiert. Seidels Kunst produziert so mit immer neuen Differenzen Anlässe für hochgradig verfeinerte Beobachtungen in den Lichtsphären der Farben. Das ist vortrefflich, weil radikal zeitgenössisch. Hier weiterlesen: Wo bleibt die Aura der Kunst im digitalen Zeitalter?


Ein Artikel von Dr. Stefan Lüddemann